Was ist für mich Fotografie?

 

 

Erleben

Ich glaube das Wichtigste ist das Erlebnis „Fotografie“.

 

Wenn ich weiß, dass ich fotografieren gehen werde, freue ich mich bereits zuvor darauf. Ich denke mir aus, was ich fotografieren will, und mache mir Notizen. Vor Ort sieht´s dann natürlich völlig anders aus und ich erlebe, dass ich mich auf eine neue Situation einstelle.

 

Vor Ort erlebe ich die Umwelt und das Wetter mit all seinen Ereignissen wie Jahreszeit, Schatten, Regen, Sonnenstrahlen, Trockenheit, Tageszeit, Nebel und Dunkelheit. Mir ist zu kalt oder zu warm; ich werde nass oder am Abend geht mir das Licht aus; einmal war es zu glatt und ich musste meine Spikes unter die Schuhe schnallen; ich stelle fest, ich habe meine Filter vergessen und ärgere mich; irgendwo bellt ein Hund ständig, das nervt; ich muss den Akku wechseln, bekomme aber die Stativ-Wechselplatte nicht ab, da ich mein Taschenmesser vergessen habe; ich sehe das tollste Motiv meines Lebens; ich mache schöne Fotos; ich bin zufrieden; ich erlebe das Fotografieren.

 

Handwerk

Eigentlich ist Fotografieren doch eine handwerkliche Arbeit. Man muss einfach nur ein paar Dinge in der richtigen Reihenfolge tun, das ist alles. (?)

 

Beim Zusammenstellen der Ausrüstung:

Objektiv checken / reinigen – Akkus einstecken – alle Taschen gut verschließen – losgehen

 

Am Foto-Standort:

Motiv finden - Licht einschätzen - Richtiges Objektiv wählen – Stativ oder nicht? – Blende / ISO / Zeit einstellen – Probefoto – Entscheidung Autofokus und manuelle Fokussierung – Belichtungskorrektur – Erstellung mehrerer Fotos von selber Situation von unterschiedlichen Standorten und mit unterschiedlichen Einstellungen

 

Nach dem Fotografieren: 

Wenn erforderlich Akkus wechseln - Kameras und Equipment sicher verstauen – Heimweg

 

Wieder Daheim:

Alles auspacken – darauf achten, dass sich das Equipment „akklimatisiert“ - Fotos von Kamera herunterladen und speichern – Sicherungskopie erstellen – Nachbearbeiten – 9 Fotos aussuchen und auf meiner Homepage einstellen – Ausdrucken, ggf. belichten lassen oder Erinnerungsdiafilm erstellen.

 

Persönlicher Ausdruck

Viele Fotografen entwickeln ihren eigenen Ausdruck. Andere können das dann sofort erkennen: Das ist ein Foto von Ansel Adams oder Josef Sudek. So wie ich nach den ersten Tönen weiß, ob es sich um Pink Floyd, ACDC, Neil Young oder Sting handelt.

 

Nachdem ich ziemlich lange rumgeeiert bin, beginne ich gerade so etwas wie meinen persönlichen Stil zu entwickeln (glaube ich). Durch einige Fotoworkshops und durch die vorhandene Ausrüstung beeinflusst versuche ich beim Fotografieren und bei der Nachbearbeitung immer mehr den Fotos „meinen Stempel aufzudrücken“. Die Fotos sollen scharf und die Farben etwas überzogen sein. Manch einem gefällt das nicht, aber das ist mir egal. Zudem neige ich immer mehr dazu nur Teile darzustellen, die das Ganze erahnen lassen. Mal sehen, wie sich das entwickelt...

 

Stille

Ich benötige meine innere Stille, um mich auf die Umgebung einlassen zu können. Wenn ich ein Motiv gefunden habe, ist es allerdings mit der inneren Stille vorbei.

Ständig reden Stimmen auf mich ein: "das probierst du mal mit ner anderen Blende“, "hier musst du mehr Abstand nehmen“, "denke an das richtige Licht“, "vielleicht doch besser mit dem Tele“, "hast du an den Polfilter gedacht“, "denke immer dran, Vordergrund macht Bild gesund“, "ist vielleicht zu viel drauf", "was fotografierst du eigentlich gerade", "Hoch- oder Querformat", "am besten, du legst dich auf den Bauch, dann hast du eine besondere Position", "dafür hast du die falsche Hose an, denke an die Grasflecken", "hast du auch genug drauf, damit du hinterher noch was wegschneiden kannst, wenn dir das Format nicht gefällt", usw. usw.

Dann kommt wieder die Stille ……….

 

Achtsamkeit und Meditation

Bereits wenn ich meine Ausrüstung zusammenstelle, um zum Fotografieren zu gehen bereite ich mich auf das Fotoerlebnis vor. Wenn ich den Ort bereits kenne, durchdenke ich die wahrscheinlich vorhandenen Möglichkeiten. Vor Ort ist „Ankommen“ das Wichtigste. Auf den Ort einlassen, erst mal nur schauen. Wenn eine Möglichkeit besteht, erst mal hinsetzen und das Umfeld auf mich wirken lassen.

Beim Erstellen der Fotos das Vorhandene annehmen. Nicht irgendetwas um arrangieren, damit es passt. Nicht die Natur zerstören. Die Natur aufnehmen, in das Foto und in mich selbst. Sich auf das IST konzentrieren.

Bei der Nachbearbeitung an den Moment der Fotografie erinnern, nochmal durchleben, die erlebten Situationen auf die Nachbearbeitung übertragen.

Man sagt über Meditation, dass sich durch Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen der Geist beruhigen und sammeln soll. Hat also fotografieren auch mit Meditation zu tun?

 

Kunst und Unkunst

Ob ich Kunst mache, weiß ich nicht. Nach dem Kunst- und Urhebergesetz könnte es Kunst sein, ich bin mir aber nicht sicher. Wenn Kunst ist, was gefällt, mache ich sicher Kunst, da mir meine Fotos gefallen. Wenn Kunst das schöpferische Gestalten ist und wenn man die Einstellung eines Apparates als Gestaltung bezeichnen kann, mache ich sicher Kunst. Wenn Kunst die Auseinandersetzung mit der Welt und der Natur ist, mache ich Kunst. Wenn das bloße darstellen etwas Vorhandenen keine Kunst ist, dann ist Fotografieren keine Kunst. Wenn es stimmt, was Karl Valentin gesagt hat: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, mache ich Kunst. Wie Friedrich von Schiller sagt, ist die Kunst die Tochter der Freiheit. Dann ist Fotografieren immer Kunst, denn ich habe immer die Freiheit zu bestimmen wo ich wann den Auslöser drücke. Wenn Kunst „pseudo-intellektuell interpretierter Schwachsinn“ ist, mache ich Kunst, da ich zu allen meinen Fotos eine schöne Geschichte kenne. Wenn, wie Paul Cézanne gesagt hat „Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“ ist, ist Fotografieren immer Kunst, da der fotografierte Moment immer parallel zur Natur weiterexistiert. Auch mit Paul Gauguin stimme ich überein, dass Kunst die verrückte Suche nach Individualität ist. Wenn wie Ad Reinhardt gesagt haben soll: „Kunst ist Kunst. Alles andere ist alles andere“, ist Fotografie nur Fotografie und keine Kunst, also Unkunst.

 

Dabei will ich es vorerst belassen ….